Motorleben im Zeitraffer

VOLLE KRAFT FÜR WASSERSTOFF:

Die KST-Motorenversuch GmbH & Co. KG im Bruch ist im Boot bei den Plänen für eine Wasserstoff-Produktionsanlage, einen sogenannten Elektrolyseur, in Bad Dürkheim. Noch sind die Planungen am Anfang, Gespräche laufen. Die Pfalzwerke wollen die Anlage. Aber warum braucht KST überhaupt Wasserstoff?

Rheinpfalz / Bad Dürkheimer Zeitung, 25.10.2021, von Laura Estelmann

BAD DÜRKHEIM. Erste Projektvorbereitungen in Sachen Wasserstoff begannen bei KST Ende 2019/Anfang 2020. Es habe sich gezeigt, dass Wasserstoff kommen werde, denn es bedürfe Alternativen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen, erklärt Gerhard W. Reiff, Vorsitzender der KST Geschäftsführung. Nach derzeitigen Erwartungen sind das Wasserstoff
und synthetische Kraftstoffe. Wobei Wasserstoff über Brennstoffzellen oder in Verbrennungsmotoren als Treibstoff genutzt werden kann. Hier kam KST ins Spiel. Unternehmen wie die in München beheimateten Proton (Brennstoff-zellen) oder Keyou (Wasserstoff-Verbrennungsmotor) wollten ihre entwickelten Vorserienprodukte auf den Prüfstand
stellen – auf den KST-Prüfstand. „Das war der Punkt, an dem wir investiert haben“, erklärt Reiff. Es zeichnete sich eine Marktlücke ab, „es gibt nicht viele Dienstleister, die dafür aufgestellt sind“, erklärt er, warum sein Unternehmen „gefühlt
weit vorne dabei sei“. Wettbewerbsanalysen bestätigen das. Bei KST kann nun eine Antriebseinheit, egal ob mit Wasserstoff, Strom, Benzin, Diesel oder synthetischen Kraftstoffen betrieben, getestet werden. „Motoren kommen
komplett oder in Teilen an und wir bauen sie zusammen oder tauschen Teile aus“, erklärt Reiff.

5000-Stunden-Test

Es komme darauf an, ob es beim Auftrag um eine Entwicklung gehe oder ob in der Phase der Serienreifmachung
die Dauerhaltbarkeit zu prüfen sei. Dann „fährt“ beispielsweise ein Motor auf dem Prüfstand mit einem „Busfahrprofil“ bis zu 5000 Stunden von Haltestelle zu Haltestelle. „Wir sehen so, wie sich der Motor im wirklichkeitsnahen Betrieb verhält“, die Leistung und der Verschleiß werden regelmäßig überprüft. „Am Ende zerlegen wir den Motor und begutachten die Einzelteile“, beschreibt Reiff, „es ist ein Motorenleben im Zeitraffer, das wir auf dem Prüfstand nachstellen.“ 5000 Stunden Stressdauerlauf bilden ein Lkw-Leben ab, das im Dürkheimer Bruch allerdings auf ein gutes
halbes Jahr komprimiert wird. In der E-Mobilität hat KST derzeit Motoren in der Dauererprobung. Bei Wasserstoff geht es noch eher um die Entwicklung. Es komme auch darauf an, wann der Kunde KST in den Prozess mit einbinde. „Keyou
hat selbst wenig eigene Testmöglichkeiten. Hier sind wir also von Beginn der Entwicklung mit dabei, um mit unserer Testkompetenz zu unterstützen“, berichtet Reiff. Es sei für KST und seine Mitarbeiter „spannend, beide Phasen zu erleben“. 85 Prüfstände hat KST dafür, die sehr flexibel für verschiedene Antriebskonzepte einsetzbar sind. Davon
sind vier für Großmotoren geeignet, zehn können aktuell Wasserstoffantriebe aufnehmen. Aber nicht nur das: „Der Wasserstoff-Prüfstand kann Verbrennungsmotoren, aber auch Brennstoffzellen, damit können wir gut auf die Entwicklung der Märkte reagieren“, sieht Reiff sein Unternehmen gut aufgestellt.

Rund 200 Mitarbeiter beschäftigt KST, das Firmenareal umfasst rund 38.000 Quadratmeter. Der Umsatz lag 2019 bei rund 39 Millionen Euro. Auf mehr als 50 Jahre Erfahrung blickt das Unternehmen zurück, ist aber auch in Sachen Nachwuchsförderung unterwegs: Es gibt Kooperationen mit Hochschulen in Kaiserslautern, Mannheim und Darmstadt,
Projekte für Bachelor- und Masterarbeiten. KST ist auch bei „Karat“, dem Kaiserslauterer Formular Student Team involviert. Und es könnten noch mehr als die rund 200 Mitarbeiter werden, nach Elektroingenieuren, Elektrotechnikern
und Mechatronikern sucht das Unternehmen, um für die Entwicklungen der Zukunft gerüstet zu sein.


Von der Fläche her ist derzeit keine Erweiterung geplant, „wir haben hier noch genug Kapazitäten für weitere Prüfstände“, so Reiff.

Positive Nebeneffekte

Zugleich hofft Reiff auf positive Nebeneffekte für Bad Dürkheim, würde es gelingen, den Elektrolyseur hier zu errichten. „Es könnten sich Kooperationspartner in größerem Umfang hier in Bad Dürkheim ansiedeln“. Ob Reiff die Brennstoffzelle oder den Wasserstoffverbrenner als Antrieb der Zukunft erwartet? Bei der Brennstoffzelle gebe es noch
deutlichen Entwicklungs- und Prüfbedarf“, bis sie in Großserie gehen könne. Nicht zuletzt auch deshalb erwartet er mit Blick auf die Mobilitätswende für KST „genug zu tun über die nächsten Jahre“ und Möglichkeiten, das Portfolio weiter auszubauen. Schneller werde es wohl beim Wasserstoff-Verbrennungsmotor gehen. „Das ist Technik, die wir in der Basis in Deutschland seit über 130 Jahren kennen.“ Die jährlichen Produktionskapazitäten für Verbrennungsmotoren sind weltweit in einer Stückzahl von rund 80 Millionen vorhanden und können mit Anpassungen auch für den Wasserstoffverbrenner genutzt werden. Weit weniger Kapazitäten gibt es bis dato für Brennstoffzellen. Hier sind es geschätzt 500.000 pro Jahr. Aufgrund des besseren Wirkungsgrads und damit effizienteren Umgangs mit dem knappen Wasserstoff „wird die Brennstoffzelle auf lange Sicht das Rennen gewinnen“ vermutet er. Reiff erwartet, dass zunächst vor allem Nutzfahrzeuge und Großmotoren auf Wasserstoff umgerüstet werden – für Fähren oder Stromgeneratoren
für die Notstromversorgung, beispielsweise als Backup-Systeme für große Rechenzentren. „Diese Großmotoren benötigen aber bis zu 80 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde.“ Eine ausreichende Produktion von grünem Wasserstoff
sei also die Herausforderung. KST hat sich hier schon breit aufgestellt, arbeitet mit den beiden großen
Gaslieferanten Air Liquide und Linde zusammen.

Große Mengen Wasserstoff

Und dann sind da eben noch die Pläne, vor Ort vom geplanten Elektrolyseur der Pfalzwerke Wasserstoff beziehen
zu können. Allein der Verbrauch eines dieser Großmotoren macht klar: „Die aufstrebende Wasserstoffgesellschaft
wird in der Zukunft so viel Wasserstoff brauchen, dass wir ihn parallel importieren müssen“, erwartet Reiff für
Deutschland. Auch Busse sind ein künftiges Einsatzfeld für Wasserstoffantriebe mit deutlich geringerem Verbrauch im Vergleich zu Großmotoren. Das wird interessant, wenn der Landkreis, wie geplant, seine Liniennetzbündel in Verbindung mit Wasserstoffantrieb ausschreibt, dann muss aber auch die Versorgung sichergestellt sein. Bis ein „erklecklicher Anteil“ an Wasserstoffantrieben auf unseren Straßen unterwegs sei, werde es noch einige Jahre dauern, sagt Reiff. Beim Busverkehr könne es schneller gehen. Auch beim Fernverkehr erwartet er größere Anteile in zehn Jahren. Dabei sei klar: „Die Technologie ist nicht der limitierende Faktor, sondern die Frage, wie wir große Mengen an Wasserstoff produzieren und verteilen können. Das wird das begrenzende Element sind.“ Beim Pkw sei die Elektromobilität im kleineren und mittleren Segment zunächst nicht mehr aufzuhalten. Aber auch hier stelle sich die
Frage nach der ausreichenden Stromversorgung. „Das Problem gilt für die E-Mobilität genauso wie für die Wasserstoffproduktion.“ Es braucht ausreichend grünen Strom, um die Energiewende zu schaffen.